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Space Camp - Teil 4

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Ob es eine gute Idee ist, den Multiachsentrainer als ersten Programmpunkt nach dem Frühstück zu wählen, bezweifeln wir alle sehr. Das Trainingsgerät stellt für viele Teilnehmer eine Überwindung dar. Hier wird ein außer Kontrolle geratenes Raumschiff simuliert, welches sich um seine drei Achsen dreht. Steuern können wir dabei jedoch nichts. Im richtigen Astronautentraining müssten die Probanden versuchen, den Sitz in eine ausgewogene Position zu bringen. Ich bin mir jedoch sicher, dass uns dies überfordern würde und bin ganz froh, einfach nur ein bisschen hin- und her geschleudert zu werden. Schlecht wird einem dabei nicht, versichert uns Lee. Der Magen befände sich ja schließlich immer in der Mitte. Ich werde auf den Sessel geschnallt und der Trainer setzt den Multiachsentrainer in Gang. Ein Elektromotor heult auf und schon dreht sich alles. Den Kopf presse ich nach hinten, damit er nicht umher geschleudert wird. Lichter ziehen an mir vorbei und ich werde scheinbar in sämtliche Himmelsrichtungen gleichzeitig gedreht. Ich spüre, wie sich das Blut in meinem Kopf sammelt, so als würde ich mich tief bücken. Lee fragt mich immer wieder, ob alles ok sei, was ich lauthals bejahe. Eine Orientierung ist kaum möglich und ich frage mich, wie man solch ein Teufelsgerät irgendwie mit Steuerknüppeln unter Kontrolle bekommen soll. Nach einer Minute ist der Spuk schon vorbei. Nach einem Szenenapplaus durch meine Kollegen verlasse ich auf wackeligen Beinen die Apparatur und sammle mich erst einmal.

Der dritte Tag hat es sportlich in sich, denn die Zentrifuge (g-Force Accelerator) steht als Nächstes auf dem Programm. Wir werden auf Liegen geschnallt und die Konstruktion beginnt, sich zu drehen. Hier erfahren wir eine Belastung von 4g, also das Vierfache des eigenen Körpergewichts. Das ist noch gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass Jetpiloten kurzfristig bis zu 9g aushalten müssen. Dennoch ist es mir während der Übung nicht möglich, den Kopf auch nur annähernd anzuheben. Dafür ist die Nackenmuskulatur zu wenig ausgeprägt. Auch das Atmen fällt wahnsinnig schwer. Ich muss mich darauf konzentrieren und merke, dass dies nun kein Spaß mehr ist. Der Puls beschleunigt sich. Ich versuche die Arme zu heben, was mir unter Anstrengung gelingt. Ich habe viel trainiert vor dem Space Camp, sonst wären mir die Bewegungen sicher noch schwerer gefallen. Die richtige Technik hilft gegen die g-Kräfte, lasse ich mir erklären: Man spannt die Muskeln nach und nach von den Füßen beginnend an bis zum Oberkörper, so als würde man versuchen das Blut in den Kopf zu pressen. Der Atem wird angehalten und alle 10-15 Sekunden wird einmal kurz und schnell ein- und ausgeatmet. Klingt alles ein wenig nach Geburtsvorbereitungskurs. Nach der Zentrifuge bin ich sichtlich erschöpft. Doch die letzte Hürde ist damit geschafft. Alle Punkte der Space Academy sind abgeschlossen und wir können stolz unsere Zertifikate entgegen nehmen.

Beendet wird die Ausbildung mit einer Abschlussfeier. Lee war dazu extra in seinem edlen Zwirn erschienen, nämlich ebenfalls in einem royal blauen Flightsuit. Während der Zeremonie wird die amerikanische Nationalhymne gespielt und wir erhalten unsere Zertifikate, ein Gruppenfoto sowie die Abzeichen (U.S. Space Academy Wings). Außerdem werden uns unsere Namensschilder nun richtig herum angesteckt. Es ist Tradition, dass alle Trainees während der „Ausbildung“ ihr Namensschild verkehrt herum tragen. Fotos, auf denen ich mein Namensschild falsch herum trug, sorgten zu Hause immer wieder für Verwunderung, aber es ist Usus im Space Camp. Es dann richtig herum tragen zu dürfen, macht mich in dem Moment ein wenig stolz. Nach der Feier nutze ich noch eine gute Stunde im U.S. Space and Rocket Center, um mir die Dinge anzusehen, für die ich bislang keine Zeit fand. Ich stelle fest, dass die meisten Besucher mich für einen Mitarbeiter halten und werde regelmäßig nach irgendwelchen Wegen gefragt. Bereitwillig gebe ich Auskunft und merke, dass so ein Flightsuit bei 28°C nicht nur äußerst warm, sondern auch recht lästig ist. Andererseits fühle ich mich schon ein bisschen zu Hause auf dem Gelände und freue mich über die interessierten Fragen.

Das Space Camp gibt einen kleinen Einblick in die Dinge, die Astronauten lernen müssen. Natürlich kann in der kurzen Zeit wirklich nur ein Bruchteil dessen aufgegriffen werden, was wirklich relevant ist. Doch für die, die vermutlich nie selbst ins All fliegen werden, ist Space Camp so nah dran wie möglich. Space Camp hat tatsächlich auch einige Astronauten hervorgebracht. Aktuell hat die NASA wieder eine Gruppe neuer Astronauten-Trainees vorgestellt, von denen zwei das Space Camp absolvierten. Ich halte das Programm aber noch aus einem anderen Grund für eine schlaue Sache. Hier wird spielerisch das Interesse an den so genannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) geweckt. Kinder und Erwachsene werden motiviert, sich mit ihnen zu befassen. Und zwar nicht auf die langweilige Art, sondern auf eine actiongeladene, begeisternde Weise. So ist es auch nicht selten, dass Space Camp- Absolventen eben gerade in diesen Fächern weitermachen und versuchen, darin ihr Bestes zu geben. Astronaut werden die Wenigsten, doch die Raumfahrt braucht so viel mehr, als Astronauten: Wissenschaftler und Ingenieure, die neue Technologien entwickeln, Lehrer, die ihre Schüler dafür begeistern oder aber Autoren und Journalisten, die darüber berichten. Insgesamt ein tolles Abenteuer, welches eine Fortsetzung verlangt. Vielleicht in einigen Jahren im Programm ‚Advanced Space Academy‘.

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